Die Erlaubnis
"Die Nuestra Señora de Atocha?" Folt hob die Augenbrauen, nachdem ich ihm von meinem gestrigen Tauchgang erzählt hatte. Wie versprochen war er nach einer Woche zurück gekehrt, um zu sehen, ob es mir besser ginge. "Du weißt, was man über sie sagt? Man sagt, in dem Wrack wäre ein Schatz, den nur derjenige bergen dürfe, dem die rechtmäßige Throninhaberin die Erlaubnis hierzu erteilt." "Warum das?", frug ich. Wir saßen zur Mittagzeit vor der Kapsel und hatten uns selbsgemachte Limonade aus dem Nahrungsreplikator mitgebracht. Die Limonade leuchtete gelb in den Gläsern und war mit kleingehackten Minzblättern durchzogen. "Die Nuestra Señora de Atocha verunglückte bei der großen Migrationswelle, die die Ripalier auf diesen Planeten geführt hat", erklärte Folt. "Die Ripalier sind somit die rechtmäßigen Besitzer des Schatzes." "Das erklärt aber nicht, weshalb man ihm am Meeresgrund vergammeln lässt", erwiderte ich und stocherte in meinem Glas. "Die Ripalier glauben, dass die Nuestra Señora de Atocha nicht zufällig auf den Planeten stürzte, sondern, dass mit dem Schatz die Möglichkeit eines großen Unglücks verbunden ist. Solange dieser auf dem Meeresgrund ruht, ist diese Gefahr gebannt.", sagte Folt. "Und das glaubst Du?", lachte ich los. "Ja, durchaus". Folt sah mich ruhig und fest an. Obwohl ich mich bereits an ihn gewöhnt hatte, überraschte mich seine ernste Beharrlichkeit, die immer wieder durchschien. Mir war nicht danach, mit ihm über das Wrack zu streiten. Mich interessierte viel mehr seine Meinung zu meinen Aufzeichungen. Ich holte die Aufzeichnungsblätter hevor und zeigte sie ihm. Ich berichtete auch von dem Unterwasser-Hundertfüssler und der Wasser-Schildkröte, die ich als nächstes zeichnen wollte. "Du hast ein enges Verhältnis zum Wasser, weil es Dir die meiste Lust bereitet, aber vergiss nicht die anderen Dinge", sagte er. Ich errötete, weil ich mich ertappt fühlte und immer noch nicht daran gewöhnen konnte, das Ripalier Gedanken lasen. "Ich komme nächste Woche wieder. Bis dahin wirst Du zwei weitere Pflanzen und zwei Landtiere gezeichnet haben", sagte er streng. Es klang wie ein Befehl und war auch so gemeint. Ungläubig sah ich ihn an, aber sein Blick sagte mir, dass er das für vollkommen normal hielt. "Die Wasserschlangen da", sagte er und zeigte auf Blatt 3, "sind noch nicht ganz ausgewachsen. Die adulten Tiere haben drei oder vier Köpfe und sind einfarbig. Wir jagen die Jungtiere im Frühjahr und machen aus ihren Häuten Taschen und Gürtel. Wenn Du ihnen das nächste Mal begegnest, fange ein paar für mich." Ich nickte und wusste nun, zu welcher Jahreszeit ich hier gelandet war.